[Update 2020-07-09: Webseite und Kontaktadresse geändert]
Bornheimer Wochenmarkt
Im hippen frankfurter Stadtteil Bornheim, dort wo in der Nähe seit kurzem die wuchtige EZB (Link: Internet-Archiv) steht, dort wo man die Immobilienaufwertungsmaschinerie mit der stückchenweisen Verdrängung der nicht so finanzstarken Urbevölkerung hautnah miterleben kann, dort findet der Bornheimer Wochenmarkt statt. Er wird liebevoll auch als Bernemer Wochenmarkt bezeichnet und kann werktäglich mittwochs und samstags besucht werden. Der Wochenmarkt erfreut sich großer Beliebtheit bis in den zahlungsstarken Speckgürtel Frankfurts hinein. Zahlungskräftige Touristen aus Bad Homburg sind bei den Betreibern der Wochenmarktstände stets gern gesehen. Man kommt ganz schnell zum bornheimer Wochenmarkt, gibt es sogar eine tolle Autobahnanbindung, die noch weiter grünen-“umweltfreundlich“ ausgebaut und so verbessert werden soll. Aber dieses Thema ist eine andere Baustelle.
Der Wochenmarkt und die Demokratie
Ein Wochenmarkt dient bekanntlich dem Einkaufen. Konsumieren ist oberste Bürgerpflicht, nicht aber hingegen dem Anscheine nach die direkte Demokratieteilhabe: Konsum statt politische Mitwirkung, so könnte man die allseits viel beliebte Devise kurz zusammenfassen. Aber gar grundgesetzliche, also politische Mitbestimmung mit Leben füllen? Wo kämen wir denn hin, wenn das einreißen würde? Das waren die Fragen, die ich mir vor einem Monat an dem vollkommen verregneten Mittwochnachmittag (20. April 2016) vor dem groß angekündigten Besuch des amerikanischen Präsidenten Barack Obama stellte: Wir verteilten Flugblätter für eine Protestdemonstration gegen das unsägliche TTIP (23. April 2016, Link: Internet-Archiv) anläßlich des Obama-TTIP-Werbebesuchs der Hannover Messe (24. April 2016, Link: Internet-Archiv).
Meine Fragen resultierten aus dem Credo „Werbung ist hier verboten“ der Marktleitung des Bernemer Wochenmarkts, die unsere politische Meinungsäußerungen in der Gestalt des Flugblattverteilens auf dem öffentlichen Wochenmarktsgelände (ansonsten eine gutbesuchte Fußgängerzone) verbot. Meine Frage, wie er denn auf Werbung käme, beantwortete beantwortete der Marktaufsichtsleiter, dass dort „Angela Merkel und Barack Obama“ stünde. Ich sagte ihm, dass das eine politische, durch das Grundgesetz abgedeckte Meinungsäußerung ist. Es gibt sogar ein richtungsweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass das Verteilen von politischen Flugblättern erlaubt (Frankfurter-Flughafen-Urteil). Ich sagte dem Marktaufseher, dass er gegen das Grundgesetz verstößt. Ich bat ihn, die Polizei zu holen, was ihm dann doch zuviel Stress bedeutete.
Dem mündlichen „Verbot“ folgte kein weitergehendes Handeln. Wir konnten die Flugblätter, nur durch den heftigen Regen gestört, weiter verteilen. Über die Gründe der Marktleitung zu ihren Äußerungen kann nur spekuliert werden. Vielleicht war zu wenig los auf dem verregneten Wochenmarkt auf der Berger Str., so dass man Langeweile hatte und wir gerade recht kamen, um wegen des grottenschlechten Wetters einmal so richtig Dampf abzulassen. Unser Hauptproblem war es, dass wir die liebe Not hatten, uns und unsere Flugblätter einigermaßen trocken zu halten.
Ein Marktaufsichtsgehilfe (-bedienster, richtige Dienstbezeichnung?) sprach mich an anderer Stelle auf dem Wochenmarkt an und meinte, wir sollten woanders verteilen, auf dem Gelände des Bornheimer Wochenmarktes sei unsere „Werbung“ jedenfalls verboten! Meine grundgesetzliche Entgegnung fruchtete auch hier nicht. Ich sprach ihn darauf an, dass ein Platzverweis durch die Polizei vorgenommen werden müsse. Keine Reaktion. Wir jedenfalls verteilten weiter unsere Flugblätter, bis uns der Regen dann einfach doch zuviel wurde.
Marktbetriebe zu TTIP
Ein paar Marktbetriebe waren uns gegenüber sehr positiv gestimmt und sprachen sich gegen TTIP aus. Sie wußten, dass TTIP auch gegen ihre Interessen verstößt – Wir verteilten schließlich Flugblätter eines sehr breiten Bündnisses (Link: Internet-Archiv), welches zu einer bundesweiten Kundgebung am 23. April 2016 in Hannover (Link: Internet-Archiv) aufrief.
Gleichzeitig Marktleitung und Marktstand?
Was ich nicht überhaupt nicht verstehe, ist, wie kann ein Marktbeschicker (Nutella-Crepes-Marktstand) gleichzeitig die Marktleitung (bzw. Marktaufsichtsleitung) inne haben (er stellte so sich uns vor). Ich kann verstehen, dass der Wirt des Bernemer Dippchens (Link entfällt; keine Webseite mehr; alles deutlich nachzulesen auf dem Marktstand) gerne Nutella-Crepes verkauft, aber dann außerdem noch die Marktaufsichtsleitung ausüben? Ich will hier keine Rechtsgeschäfte zu Lasten Dritter unterstellen, doch hat es ein deutliches Geschmäckle, wenn die Marktaufsicht gleichzeitig einen Verkaufsstand hat. Versagt hier die Stadt Frankfurt am Main vollends in allerbester neoliberaler Manier?
Das Bernemer Dippchen in der Arnsburger Str. 33, nicht unweit des Bornheimer Wochenmarktes, ist eine frankfurter Gaststätte. Gäste verweilen hier gern zu einem Pils oder einen anderen Getränk.
Übrigens, dem politischen bornheimer Lokalmatador Bernhard Ochs (Link: Internet-Archiv)* (vormals SPD), jetzt wieder in die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung gewählt, ist die Marktaufsichtsleitung persönlich bestens bekannt.
* [Update: 2020-05-06 – Webseite erloschen; es existiert aber eine archivierte Version auf web.archive.org, auf die jetzt verlinkt wird]
Mein Resumeé: Wir dürfen uns den öffentlichen Raum nicht durch fragwürdige Sonderinteressen wegenteignen lassen. Die Straßen und Fußgängerzonen Frankfurts am Main (wie überall sonst auch) gehören uns allen. Wochenmärkte sind keine Sonderrechtszonen, sondern Orte der Begegnung.
Der Protest geht weiter…
Bitte vormerken: Am 17. September 2016 gibt es in sieben Großstädten, unter anderen auch in Frankfurt am Main, Protestkundgebungen (Link: Internet-Archiv).
Wer sich informieren will, dem sei die TTIP-Veranstaltung am kommenden Dienstag, den 24. Mai 2016 anempfohlen:
Veranstaltung:
Ein Vertrag, sie zu knechten – Was Sie über CETA, TTIP wissen sollten!
. Dienstag, 24. Mai 2016, 19:30 -22:00 Uhr
. Saalbau Gallus, Clubraum 3 (Frankenallee 111, Frankfurt/M.)
. Referentin: Monika Christann
(eine Veranstaltung des frankfurter Kreisverbandes der Partei Die Linke.)
Wer sich engagieren – jeder ist aufgefordert mitzumachen! – will bzw. weitergehend informieren möchte, dem sei das das Bündnistreffen des Bündnisses gegen Privatisierung anempfohlen:
Bündnistreffen
. Montag, 6. Juni 2016, ab 18:30 Uhr
. im GEW-Bezirk Frankfurt (Bleichstrasse 38a, Frankfurt/M.).
Das Bündnis trifft sich jeden 1. Montag im Monat (außer in den Schulferien), 18:30 Uhr , Bezirksbüro der GEW, Bleichstr. 38a, Frankfurt/M. (Link zur Webseite des Bündnisses)
Kontakt: info(at)privatisierung-nein.de